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Sozialalmanach: Corona-Krise verschärft Ausgrenzung von Armutsbetroffenen

Dez 16, 2020 | Aktuelles - Corona, Archiv, Armut und Not

Die Corona-Krise macht deutlich, wie schnell viele Menschen in der Schweiz in finanzielle Not geraten. Bereits vor Corona lebten über eine halbe Million Menschen in Armut, sie werden sozial an den Rand der Gesellschaft gedrängt, so die Caritas zum aktuellen Sozialalmanach.

660’000 Menschen lebten 2018 gemäss dem Bundesamt für Statistik in der Schweiz in Armut. Weitere 500’000 Menschen befinden sich nur knapp über Armutsgrenze, sie sind armutsgefährdet. Aufgrund der düsteren Konjunkturprognosen ist mit einer weiteren Verschärfung der Armutssituation zu rechnen, so die Caritas in einer Medienmitteilung. Optimistisch stimme, wie solidarisch sich die Bevölkerung in dieser Krise durch Spenden zeige.

Armut grenze die gesellschaftliche Teilhabe ein, so die Mitteilung. Das habe nicht nur mit Geldmangel zu tun, sondern auch damit, dass Armut gerade in der reichen Schweiz oft als individuelles Versagen angesehen werde und darum mit Scham behaftet sei.

Menschen in prekären Arbeitsverhältnissen seien von den wirtschaftlichen Folgen der Corona-Krise besonders stark betroffen, so die Caritas. Über fünf Prozent der Angestellten in der Schweiz arbeiteten 2019 auf Abruf – das entspricht 195’000 Personen. Im Zuge der Corona-Krise hätten viele von ihnen weniger oder gar keine Arbeitseinsätze mehr. Neben den finanziellen Schwierigkeiten belaste auch die stete Unsicherheit, ob und wie viele Einsatzmöglichkeiten sie erhielten.

Zahlreiche Erwerbstätige hätten zudem mehrere Jobs, um über die Runden zu kommen. 2019 waren es demnach 372’000 Personen, wobei Frauen mit 10,7 Prozent deutlich stärker betroffen seien als Männer mit 6,1 Prozent. Frauen sowie Personen im Niedriglohnsektor und mit Teilzeit-Jobs seien die grössten Verliererinnen der Corona-Krise. Ihre Stellen seien am schnellsten gestrichen oder auf Kurzarbeit gesetzt worden – mit der Folge, dass ihr Einkommen aufgrund der Lohneinbusse von 20 Prozent nicht mehr zum Leben reichte. Während das System der sozialen Absicherung in der Schweiz grösstenteils gut funktioniere, zeigten sich gerade bei den Menschen mit tiefem Einkommen Lücken.

In besonders prekären Situationen befänden sich Menschen mit einem unsicheren Aufenthaltsstatus, zum Beispiel einer B-Bewilligung. Sie arbeiteten häufig im Niedriglohnsektor und drohten aufgrund der Corona-Krise ihre Stelle zu verlieren. Trotzdem nähmen sie Sozialhilfe auch in Notsituationen häufig nicht in Anspruch, da sie negative Auswirkungen auf ihre Aufenthaltsbewilligung fürchteten. Sans-Papiers treffe die Corona-Krise besonders stark. Sie arbeiteten in Branchen wie der Gastronomie oder in Privathaushalten und hätten ihre Stelle im Frühling daher überdurchschnittlich häufig und rasch verloren. Da ihnen der Zugang zu staatlicher Unterstützung verwehrt bleibe, seien sie auf die Unterstützung von privaten Organisationen angewiesen.

Die langen Warteschlangen für Lebensmittelverteilungen in Genf oder Zürich hätten der Armut in der Schweiz ein Gesicht gegeben, so die Caritas. Es zeige sich, dass viele Menschen in der Schweiz keine Möglichkeit hätten, etwas anzusparen und dass sie sofort in finanzielle Schwierigkeiten gerieten, wenn ihr Einkommen sinke oder ganz wegfalle. Scheidung, fehlende Bildung, eine mangelhafte Vereinbarung von Beruf und ein unsicherer Migrationsstatus seien besondere Risikofaktoren, um in Armut zu geraten. Soziale Integration dürfe keine Frage des Geldes sein, so die Mitteilung.