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Corona-Überwachung: Amnesty mahnt Verhältnismässigkeit an

Apr 7, 2020 | Aktuelles - Corona, Archiv, Recht

Überwachungsmassnahmen und digitale Hilfsmittel können bei der Bekämpfung des Coronavirus helfen, so Amnesty International. Die Verhältnismässigkeit müsse jedoch bei allen Eingriffen in die Persönlichkeitsrechte gewahrt bleiben. Dieser rechtsstaatliche Grundsatz gelte auch in Krisenzeiten.

Einschränkungen der Grundrechte, wie die Beschränkung der Bewegungsfreiheit oder Überwachungsmassnahmen, müssten auch im Ausnahmezustand verhältnismässig sein, so Amnesty in einer Medienmitteilung. Sie müssten erforderlich und geeignet sein, ein im öffentlichen Interesse liegendes Ziel tatsächlich zu erreichen. Sie dürften in sachlicher, räumlicher, personeller und zeitlicher Hinsicht nicht über das absolut Notwendige hinausgehen. Eine Massnahme habe zu unterbleiben, falls ein geeigneter, milderer Eingriff möglich sei, und sie müsse zudem transparent sein. Die ergriffenen Massnahmen müssten auf die Dauer der Krise beschränkt sein.

Grundrechtlich höchst problematisch sei die Verwendung von Vorratsdaten aus der Handy-Massenüberwachung der gesamten Bevölkerung in der Schweiz für das Contact Tracing, wie dies von gewissen Kreisen gefordert werde. Die Datensammlung, mit der sechs Monate rückwirkend nachvollzogen werden könne, wer wann wo mit wem und wie lange kommuniziert hat, stelle einen massiven Eingriff in die Privatsphäre dar. Dennoch seien diese Daten zu ungenau, um physische Kontakte und eine mögliche Infektionskette des Coronavirus nachweisen zu können. Eine Funkzelle umfasse in städtischen Gebieten einige hundert Meter, kann auf dem Land aber auch mehrere Kilometer gross sein. Falls sich alle Personen in Quarantäne begeben müssten, die sich in den Tagen vor dem Bekanntwerden einer Ansteckung, in derselben Funkzelle befunden hätten wie die infizierte Person, wäre das Land lahmgelegt, so Amnesty.

Für das Feststellen von möglichen Infektionsketten könnten hingegen sogenannte Contact Tracing-Apps hilfreich sein, so die Medienitteilung. Dabei registriere das eigene Handy alle sich in der Nähe befindlichen Mobiltelefone über die Bluetooth-Funktion. Die Reichweite sei auf einige Meter beschränkt, was ungefähr der Ausbreitungsdistanz des Coronavirus entspreche.

Eine datenschutzkonforme Contact Tracing-Technik sei umsetzbar, wenn wichtige Grundsätze beachtet würden. So müssten alle Kontakt-Informationen sicher verschlüsselt und lokal auf dem Handy gespeichert werden. Sie dürften erst beim Vorliegen einer Infektion anonym ausgewertet werden. Darüber hinausgehende Überwachung, beispielsweise Location Tracking, dürfe nicht stattfinden. Bei der Entwicklung müssten offene Standards, Schnittstellen und Open Source-Software zum Einsatz kommen. Die Verwendung der App müsse freiwillig sein.

Das öffentliche Leben in Echtzeit zu überwachen, gehe weiter über Massnahmen hinaus, mit denen mittels anonymisierter und aggregierter Handy-Standortdaten, Ansammlungen von Personen oder Bewegungsströme erfasst werden könnten. Es seien auch keine speziellen Umstände ersichtlich, welche eine solche Massnahme im Vergleich zu anderen Kantonen nötig machen würde. Es bestünde zudem die Gefahr, dass die Video-Echtzeitüberwachung auch nach Ende der Pandemie als normale Überwachungsmassnahme eingesetzt werde.